Gebremst durch eine andere Welt tasten
von Jürgen Damm
Auf Einladung der Initiative „Barrierefreies Leben in Bad Arolsen“ hatte gestern Werner Panning die Chance, seinen Körper auf eine Zeitreise zu schicken.
Der mit Bändern und Gewichten gespickte blaue Overall lässt seinen Träger alle Bewegungen deutlich langsamer ausführen. Beine und Arme sind plötzlich nicht mehr so beweglich wie üblich und Handschuhe sorgen für einen eingeschränkten Tastsinn. Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit lassen sich mit besonderen Brillen imitieren. Und zum Schluss gibt's von Werner Stibbe, der den Anzug für die Firma Hewi regelmäßig einsetzt, auch noch etwas auf die Ohren: Die Ohrschützer dämpfen die Geräusche an lärmgefährdeten Arbeitsplätzen. Sie dämpfen aber auch die Stimmen der Mitmenschen.
Wer sich so in den Alltag begibt, bewegt sich langsam, fühlt sich unsicher und verhält sich zurückhaltender als mancher junge und gelenkige Zeitgenosse. – „Ich fühle mich wie ein Verkehrshindernis“, bekannte daher auch Werner Panning, als er sich in dem Alterssimulationsanzug durch sein eigenes Geschäft tastete und seine Mitarbeiter bat, ihm die ausgestellten Betten und Matratzen vorzuführen.
Das Problem beginnt schon beim Lesen der kleinen Preisschilder, wird erst so richtig deutlich beim Probeliegen auf einer Matratze und kulminiert dann beim Versuch, sich von einem niedrigen Stuhl wieder zu erheben.
Die Lehre, die Werner Panning als örtlicher Vertreter des Einzelhandelsverbandes für sich aus dieser Lektion am eigenen Leib zog, war die: „Wir Einzelhändler müssen viel mehr auf die besondere Situation der älteren Menschen eingehen, die ja auch eine wichtige Kundengruppe bilden.“ Nach den 40- bis 49-Jährigen stellten die über 65-Jährigen die an Kaufkraft stärkste Bevölkerungsgruppe dar.
Panning: „Ich kann jetzt verstehen, warum ältere Menschen am liebsten in den ihnen vertrauten Geschäften einkaufen: Weil sie da das Gefühl haben, sich auszukennen und sich am besten zurecht zu finden.“ Wichtig sei für Senioren auch, dass es überhaupt genügend Geschäfte in der Wohnortnähe gebe.
Ähnliche Tests mit dem Alterssimulationsanzug wurden gestern im Restaurant „Schlossgarten“, im Gäste- und Gesundheitszentrum und im „Herkules-Supermarkt“ unternommen.
Der Vorsitzende der Initiative „Barrierefreies Bad Arolsen“, Oberst Damm, bat Bürgermeister Jürgen van der Horst im Anschluss, die Lehren dieses Tests auch bei künftigen Bauprojekten zu berücksichtigen. Bad Arolsen ist schon seit zehn Jahren intensiv um eine barrierefreie Innenstadt bemüht.